also ich fang dann mal an
Angst
Ein Hotel. Eine Frau. Die Koffer sind gepackt und Draußen ist es Dunkel. Das Bett ist sehr unbequem und riecht etwas modrig. Doch die Frau auf dem Bett hat andere Sorgen. Auf ihren Knien liegt ein Brief, den sie sich jetzt schon das neunte Mal durchgelesen hat. Sie kam vor vier Stunden im Hotel an und sitzt seitdem auf dem Bett und liest sich den Brief durch:
„Liebe Frau Mendoz,
leider muss ich Ihnen als Ihr praktizierender Hausarzt mitteilen, dass Ihr HIV-Test positiv ausgefallen ist. Ich möchte Sie bitten, sich bei mir so schnell wie möglich zu melden, so dass wir alles Weitere besprechen können.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Mike Denbrough“
Sie steht auf und schaut aus dem Fenster. Nichts. Kein Licht, kein Auto, kein Laut. Sie kann sich nicht einmal sich selbst sicher sein. Traumversunken schaut sie in die Leere und wünscht sich, selbst ein Teil davon zu sein. Sie steht auf und geht wieder zum Bett. Sie legt sich hin und schaut zur Decke hinauf. Weißer Putz starrt ihr entgegen und wirkt auf sie wie eine Bedrohung, als würde die Decke gleich den Entschluss fassen, sich auf sie zu stürzen.
Ängstlich wendet sie ihren Blick ab und starrt wieder aus dem Fenster. Leere. Überall in ihr und um sie herum herrscht Leere. Ist das die Realität? Sie kann sich nicht sicher sein. Aus dem Fenster kommt nur schwarze Leere und starrt sie an. Sie hat das Gefühl, dass man irgendetwas von ihr erwartet, weiß aber nicht was?!
Soll sie sich aus dem Fenster stürzen? Oder weinen? Noch eine letzte Party feiern? Wie verhält man sich ordnungsgemäß, wenn man die Nachricht vom eigenen Tod in den Händen hält? Alleinsein. Sie will allein sein, aber ist es nicht. Das Licht im Zimmer, die Koffer, das Bett und vor allem das Fenster starren sie an und erwarten eine Reaktion. Vollkommen benommen taumelt sie durch das Zimmer auf den Schrank zu. Obwohl das Zimmer winzig ist, kommt es ihr wie ein riesiger Ballsaal vor und es vergehen gefühlte zwei Stunden bis sie den Schrank erreicht. Sie öffnet die Tür und steigt hinein. Leere. Sie schließt die Tür und sitzt jetzt in der Embryostellung in dem vollkommen dunklen Kleiderschrank. Leere. Sie spürt wie sie ein Teil von ihr wird. Plötzlich hört sie ein Geräusch, es klingt als würden ihre Koffer aus dem Fenster fliegen und dann ein Ohrenbetörender Knall. Das wird wohl die Decke gewesen sein, die aufs Bett gefallen ist.
Sie schließt die Augen und schläft ein.
Ende